Wie mein Leben mir einen Sprung aus der Komfort-Zone bot

Erfahrungen, die meine Grenzen erweitert haben und mich mehr lebendig fühlen lassen

Vor knapp 1,5 Jahren hatte mein Partner die Idee, im Winter 22/23 einmal etwas anderes zu machen. Er schlug vor, für rund 3 Monate ein Haus in Spanien zu mieten. Der Plan war, dass wir in dieser Zeit von Spanien aus arbeiten und periodisch in der Schweiz sein würden. Ich fing an, ein Haus zu suchen und wir entschieden uns für eines in Moraira, einer kleinen Gemeinde am Meer, zwischen Alicante und Valencia gelegen.

Nach intensiven Vorbereitungen konnten wir am 19.12.23, in der Woche vor Weihnachten, das gemietete Haus übernehmen, uns eingerichten, das Internet funktionsfähig machen, und haben angefangen, von hier aus zu arbeiten. Über Weihnachten und Silvester hatten wir Besuch von lieben Menschen, mit denen wir einige Tage verbracht haben.

Am 01.01.23 hatten eine der Besucherinnen und ich die Idee, eine kleine Wanderung zu machen. Es war kurz nach 13:00 Uhr als wir nichts ahnend starteten. Letzten Endes wurde eine heftige Grenzerfahrung daraus … Aber alles der Reihe nach.

Wir wählten einen Weg, den wir kannten und schon einmal gegangen waren. Wir hatten das Glück, hier in Südspanien schönes Wetter zu geniessen und und waren beide guter Stimmung. Um nicht denselben Weg von Anfang bis Ende zu gehen, nahmen wir eine andere Abzweigung als beim ersten Mal. Wir sahen dort ebenfalls eine Markierung für einen Weg.

Die Gegend war recht bewachsen, die Natur ziemlich ursprünglich, hügelig, leicht felsig und ab und zu gab es Hinweise auf einen Wanderweg. Wir gingen weiter, immer in der Annahme bald auf einen Weg zu stossen. In dem Gelände gingen es mehr und mehr bergauf, wir schlängelten uns durch Büsche und krochen unter Bäumen her, um endlich auf den vermeintlichen Weg zu kommen. Es wurde immer später … Off-road in einem Gelände, das wir sehr wenig kannten, ohne eine entsprechende Vorbereitung zu laufen, war eine sehr blöde Idee, denn wir hatten weder eine Karte noch Handyempfang.

Wir hatten aus der Ferne einen felsigen Hügel gesehen, und es war unser Plan, über den Hügel zu klettern. Je näher wir dem vermeintlichen Hügel kamen, desto mehr entpuppte er sich als unüberwindbarer Berg, der ohne richtige Kletterausrüstung von uns nicht zu besteigen war. Was tun? Zurück konnten wir nicht. Der Weg abwärts, durch die dichte Vegetation mit teilweise sehr losem Untergrund, wäre zu gefährlich gewesen.

Auf der anderen Seite der Schlucht waren auf einer Klippe einige Häuser zu sehen. Zwischen uns und der Klippe lag ein Wald, schier undurchdringbar, mit ausgeprägtem Unterholz, Ranken, Stacheln, mit eher steinigem Untergrund und natürlich ohne Weg.

Es fing leicht an zu dämmern, mittlerweile war es 17.30 Uhr geworden und wir wussten, wir müssen durch dieses unwägbare Gelände. Wir krochen auf allen Vieren durch das Unterholz. Unsere Besucherin, Irene, voraus und ich so schnell es ging hinterher. Ich blieb ständig mit meinen langen Haaren und dem Rucksack an irgendwelchen Ästen, Sträuchern, Zweigen hängen, und es schien mir, dass ich einfach nicht durchkommen würde. Es war verdammt eng dort.

Und dann hatte ich in der Enge unter den Bäumen, zum zigsten Mal in Zweigen und Kletten festhängend, die erste Panikattacke meines Lebens. Nun kann ich den vielen Klienten, mit denen ich in der Vergangenheit an der Überwindung von Ängsten und Panik gearbeitet hatte, noch besser nachempfinden, wie es sich anfühlt!

Zum Glück war Irene weiterhin vor mir und hatte ihr Handytaschenlampe aktiviert. So konnten wir wenigstens an und an einen Lichtschein sehen. Auch über die Stimme blieben wir in Kontakt.

Die gute Nachricht ist, wir haben es geschafft! Mit vielen Schrammen am Körper, blauen Beinen, körperlich erschöpft und ich in einem emotional sehr aufgewühlten Zustand.

Um 19.00 Uhr waren wir oben bei den Häusern angelangt. Endlich wieder Zivilisation, Ferienhäuser und eine Strasse! Es war niemand zu sehen und in den Häusern brannte kein Licht. Zum Glück gab es dort wieder Handyempfang. Zwar war das Netz eher schlecht und instabil – er reichte jedoch, meinen Partner anrufen zu können und ihn zu bitten, uns abzuholen.

Als wir wieder zu Hause angekommen waren, konnte ich mich, dank der Unterstützung der Menschen, die um mich herum waren und einiger Techniken, die ich regelmässig für mich und andere anwende, recht schnell wieder stabilisieren. Es ging auch gar nicht anders, da ich am nächsten Tag abends zurück in die Schweiz geflogen bin.

Die arbeitsamen nächsten Tagen liessen mir wenig Zeit, um intensiv am Erlebten zu arbeiten. Ich wollte testen, wie ich eine weitere Wanderung meistern würde. Für den 14.01.23 – ich war in der Zwischenzeit wieder in Spanien – hatte ich mich mit Daniela, einer Bekannten, für eine Bergwanderung verabredet. Als sie mir Informationen zu der Route schickte, sah ich, dass wir dabei auch durch einen Tunnel gehen müssen. Oh, nein!

Die Erinnerung an die Panikattacke wegen der extremen Enge unter dem Bäumen, gefangen im Gestrüpp, in der Dunkelheit, kam hoch. Ich wollte die Wanderung auf jeden Fall machen und nahm mir Zeit, die Klaustrophobie und Panikattacke selber zu bearbeiten.

Ich beschloss, dieses Mal werde ich mich gut vorbereiten. Die Wanderung war super, der Tunnel gut zu meistern und ich bin stolz, dass ich da durch gegangen bin.

Ich habe in der Zwischenzeit bereits öfter mit Irene gesprochen und reflektiert, wo wir bei unserer Wanderung am 01.01.23 Fehler gemacht hatten. Meine bisherigen Erkenntnisse aus der Erfahrung sind:

  • Es gibt Situationen, wie eine Wanderung in einer unbekannten Umgebung, wo eine gute Vorbereitung sehr wichtig ist.
  • Es gibt andere Situationen, in denen ich einfach mit meiner Intuition und dem Flow gehen kann.

Wenn ich achtsam bin, weiss ich, wann das eine (eine gute Vorbereitung) bzw. das andere (Intuition) oder das Dritte (gut vorbereiten und dann fliessen lassen) angesagt ist.

Die Wanderung am 01.01.23 war für mich eine absolute Grenzerfahrung. Ich habe sie überlebt und bin an ihr gewachsen. Ja, ich merke, dass sie mich stärker gemacht hat. In einigen Situationen, die ich früher als herausfordernd empfunden hätte, bin ich jetzt bereits viel gelassener und entspannter.

Ich lebe jeden Tag noch bewusster und bemühe mich, die Herausforderungen, die mein Leben mir täglich bietet, immer schneller anzunehmen und zu meistern.

Ich merke, wie ich hier in Spanien, wo ich im Moment alleine bin, meine Komfort-Zone ständig erweiterten darf.

Last but not least – Dankbarkeit ist etwas, was ich in den letzten Monaten wieder sehr aktiv kultiviert habe. Deswegen bin ich auch diesen Erfahrungen dankbar und konnte für mich Folgendes daraus ziehen:

  • Ich bin dankbar für meine innere Erweiterung, denn sie schenkt mir auch mehr Freiheit.
  • Ich bin sehr dankbar über den grossen Fundus an unterschiedlichen Methoden, die ich mir im Laufe des Lebens angeeignet habe, mit denen ich Vieles lösen und im Inneren korrigieren kann.
  • Ich bin dankbar für die Unterstützung, die ich in den Situationen von anderen Menschen, meiner Seele, meiner inneren Stimme und aus anderer Ebene bekommen habe. Ich weiss, wenn ich Hilfe brauche, ist sie da bzw. kann ich um sie bitten. Ohne diese Ressourcen hätte ich das nicht so schnell verarbeitet und integriert.

Und wenn ich auf das innere Wachstum durch diese Erfahrungen schaue, kann ich wieder einmal bestätigen: ich bin ein Fan der Erweiterung meiner Komfort-Zonen.

 

06.02.23, text and picture by Cordula Mezias, das Copyright und die kommerzielle Nutzung des hier veröffentlichten Textes verbleiben bei der Autorin